Rezension zu „Geteilte Träume“ von Ulla Mothes

Klappentext:
Eine junge Frau zwischen zwei Familien, zwischen Ost und West – ein großer DDR-Familienroman um das Glück im Kleinen und Existenzkämpfe im Großen

Berlin, 1992: Erst als junge Frau erfährt Ingke, dass sie als Säugling zu DDR-Zeiten adoptiert wurde. Wer sind ihre wahren Eltern? Warum haben sie sie einst weggegeben? Und was bedeutet das für ihr Leben heute? Sie macht sich auf die Suche und stößt auf die Geschichte ihrer Herkunftsfamilie, die nach einem gescheiterten Fluchtversuch ihre Tochter verlor. Auf einmal hat die junge Frau zwei Familien, die um sie ringen: Ihre leibliche Mutter, die irgendwann von der BRD freigekauft wurde und bisher nichts über Ingkes Verbleib weiß. Und ihre vermeintlichen Eltern, bei denen sie behütet und geliebt aufgewachsen ist. Doch muss sie sich tatsächlich entscheiden?


Über die Autorin:
Ulla Mothes, geb. 1964, wuchs in der Mark Brandenburg und in Ostberlin auf. Als Studentin stellte sie einen Ausreiseantrag, weil sie nicht wollte, dass ihre Kinder mit einem Maulkorb aufwachsen müssen. Es folgten Exmatrikulation, Arbeit als Garderobenfrau, Ausreise 1986. Heute lebt sie als Lektorin, Autorin und Schreibcoach in Berlin. Ihre zwei erwachsenen Kinder dürfen noch immer sagen, was sie wollen.

Rezension:
Mich hat „Geteilte Träume“ sofort angesprochen, weil beim Blick aufs Cover gleich klar wurde, dass es sich um eine Familiengeschichte handelt. Mein Interesse wurde noch stärker, als ich gelesen habe, dass es um eine DDR-Adoption geht, bei der die Adoptierte nach der Wende versucht, ihre Geschichte aufzuarbeiten und beide Familien unter einen Hut zu bringen. In meiner Familie gibt es ein ähnliches Schicksal, weshalb ich persönlich mit dem Thema in Verbindung gekommen bin.

Der Einstieg ins Buch erfolgt, als die Hauptperson namens Ingke, herausfindet, dass sie adoptiert wurde. Sie wird gerade mit der Schule fertig und steht vor dem Übertritt ins Erwachsenenleben, als diese Nachricht ihr den Boden unter den Füßen wegreißt. Sie zieht erstmal zu ihrer Cousine und deren Freund, um dort wieder klare Gedanken zu fassen. Durch ihre Familie erfährt mehrere Geschichten, in denen ein Familienmitglied Liebesbeziehungen in den Westen hatte und lernt so mehr über das Leben in der damaligen Zeit und dessen Einschränkungen.

Nach und nach findet Ingke dann auch mehr über ihre Herkunftsfamilie heraus. Ihr Großvater und schließlich ihre leibliche Mutter erzählen ihr über das Leben zu DDR-Zeiten, Ingkes frühe Kindheit und eine missglückte Flucht, durch die die Familie geprägt wurde.

Der Einstieg ins Buch ist sehr gut gelungen, denn man wird gleich mitten in die Handlung geworfen, als Ingke außer sich ist aufgrund der Adoption, von der sie in einem Krankenhaus durch Zufall erfahren hat. Der restliche Verlauf der Handlung las sich dann deutlich zäher. Bevor Ingke mehr über ihre eigene Geschichte herausfindet, werden mehrere Liebesgeschichten und Erfahrungen von Verwandten thematisiert. Für mich waren diese Darstellungen zu ausschweifend dafür, dass sie nicht zentral für die weitere Geschichte um Ingke waren. Die Handlung driftete dann vor allem in eine politische Richtung ab. Das Leben in der DDR wurden sehr detailliert erörtert, auch das Wirken der Stasi und die Wirtschaft. Mir war das zu viel für einen Roman, der als Familiengeschichte deklariert ist, zumal diese thematischen Exkurse langatmig wurden, weil sie nicht relevant sind.

Darüber hinaus hatte ich das Gefühl, dass viele Darstellungen sehr klischeebehaftet sind und sich zumindest in manchen Bereichen deutlich von dem Unterscheiden, was meine Verwandtschaft erlebt hat. Natürlich ist das soweit absolut in Ordnung, ich befürchte nur, dass diese Darstellungen zu einseitig sind, besonders wenn man selbst keinerlei Erfahrungen bezüglich dem Leben in der DDR hat.

Ingke war mir seit Beginn der Handlung sehr sympathisch – sie ist eine junge Frau, die sich in einer schwierigen Phase befindet, aber trotzdem ihren Weg gehen will. Mir hat es gefallen, ihre Entwicklung mitzuverfolgen, während sie ihre Familiengeschichte erfährt. Ihr Denken und Handeln ist authentisch, sodass ich mich gut in sie hinein versetzen konnte. Völlig anders verhielt es sich mit ihrer Mutter. Ich kann leider keine Beispiele nennen ohne zu spoilern. Petras Weltanschauung war für mich oft nicht nachvollziehbar, genau wie ihre Erwartungen und ihre Denkweise. Schließlich hat sie durch unüberlegtes, egoistisches Verhalten die ganze Familie negativ beeinflusst. Ihre weitere Entwicklung war ebenso sehr enttäuschend, dass ich stellenweise richtig wütend auf diesen Charakter wurde. Dadurch hat mir das Lesen insgesamt mehr Frust als Spannung bereitet.

„Geteilte Träume“ war also nicht das, was ich mir von dem Buch erhofft hatte. Wer gerne politische Romane mag, könnte Freude an dem Buch haben. Wer sich für Familiengeschichten um das Thema Adoption interessiert, sollte lieber zu einem anderen Buch greifen.

– Meine Bewertung: 2 von 5 Sternen –


Cover:

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